Die Deutsche Bahn AG hat mit mehreren Lackherstellern ein bis 2022 laufendes Langzeitprojekt gestartet. Im DB-Werk Wittenberge/Elbe werden Gelenkgetriebewagen mit verschiedenen Lacksystemen beschichtet und jährlich geprüft. Aktuell hat FreiLacke aus Döggingen einen Triebwagen mit Systemlacken beschichtet.
Bis zu achtmal täglich fahren die signalroten Regionalzüge der DB Regio AG auf der Strecke zwischen Berlin und Stettin hin und her. Die polnische Großstadt liegt nur 120 Kilometer von der deutschen Hauptstadt entfernt und bietet viele Sehenswürdigkeiten. Betrieben wird die Strecke von der DB Regio AG, bei den Zügen handelt es sich um Gelenkgetriebewagen (GTW) des Herstellers Stadler Rail. Durch ihren ununterbrochenen Einsatz werden die Wagen spätestens alle sechs Jahre einer Komplettsanierung unterzogen – außen wie innen. „Vor allem Graffiti ist eines der Fokusthemen, das dabei immer mehr Raum einnimmt“, erklärt Dr. Christian Bohne, Leiter Werkstoff- und Fügetechnik bei der DB Systemtechnik GmbH in Kirchmöser.
Um die Qualität der Beschichtung zu verbessern und die Durchlaufzeiten beim Lackieren zu verringern, erhielt FreiLacke im Frühjahr 2016 den Auftrag, eine der Regionalbahnen zu lackieren. „Wichtig war es der DB Regio AG, dass das Lacksystem eine hohe UV-Beständigkeit aufweist und auch scharfen Graffiti-Reinigern Paroli bieten kann“, erklärt Georg Biber, Branchenvertriebsleiter Fahrzeugbau bei FreiLacke.
Als erster Schritt wurde in Wittenberge der Ultrahighsolid-Lack (UHS) in basaltgrau im unteren Bereich des Zuges, um die Fenster und als Dachabschluss auf die bereits grundierten Oberflächen aufgetragen. Der UHS-Lack ist ein lösemittelhaltiger Ultra-HighSolid-Basislack mit einem Festkörperanteil von 80%. Dank seines guten Verlaufs und seiner guten Applikationseigenschaften ist er für Industriegüter und Baumaschinen bestens geeignet. Das Material ist hochglänzend und kann an der Luft oder aber im Ofen nach 40 Min RT (20 °C) bei bis zu 80 °C trocknen.
Step 2 umfasst die Lackierung lichtgrauer Querstreifen sowie Teile der Türen. Erst danach erhielt der GTW seinen markanten Hauptfarbton verkehrsrot sowie den Easy to clean-Klarlack „VFP60928-4-01“. Dieser Schutzanstrich für Bunt- und Metallic-Farbtöne ist für den Innen- und Außeneinsatz geeignet, weist eine gute Wetterbeständigkeit und ebensolche mechanische Widerstandsfähigkeit auf. Bereits nach 20 min ist die Beschichtung staubtrocken.
Zeitgleich wurden die acht am GTW befindlichen Lüftungsgitter mit der KTL „Freiotherm Automotive WK 4035HRU999“ und dem „FREIOTHERM-Pulverlack-Fassade PF1003ARG320“ bei externen Dienstleistern beschichtet. Letzterer verfügt er über die Material-Zulassungen gemäß GSB und Qualicoat sowie für den technischen Bereich außen nach DBS 918 340 in Prüfung. Im Anschluss wurde der Freiotherm-HighSolid-Klarlack „KO1853LRA999“ aufgebracht, der eine Beständigkeit gegen Graffiti-Entferner wie den „AGS-Reiniger 221“ von mindestens 16 Stunden erreicht. Darüber hinaus ist er auch sehr gut gegen UV-Strahlung beständig (Florida-Prüfung: 24 Monate, Restglanz 91% im 60°-Winkel).
„Uns war es wichtig aufzuzeigen, dass verschiedene Lacksyteme am Zug, sowohl manuell lackiert mit Flüssiglacken, als auch industriell beschichtet mit KTL, Pulverlacken bzw. Einbrennlacken bei Zulieferern oder Lohnbeschichtern die hohen Anforderungen erfüllen und eine einheitliche Oberfläche erzeugen können“, erklärt Benjamin Weiß vom FreiLacke-Branchenvertrieb. „Dies bedeutet, dass Einbauteile wie Fenster, Gleisbettentriegelungen, Lüftungsgitter, Türen, Blenden und viele andere Teile im Außenbereich schon vor der Montage beschichtet werden können, ohne dass es zu Abweichungen hinsichtlich Farbton oder Glanz kommt.“ Unternehmen profitieren auf diese Weise von schnelleren Durchläufen und einer Reduzierung der VOC-Emission im eigenen Werk.
Der Lackhersteller aus Döggingen/Schwarzwald hat sich mit seinen Systemlacken für viele Industriebranchen längst einen Namen gemacht. Bei den horizontalen Systemlacken handelt es sich um Pulver-, Industrie- und Elektrotauchlacke sowie Durelastic (Oberflächenlösungen für Composites) für verschiedenste Bauteile, die nebeneinander – daher horizontal – verbaut werden. „Die Bauteile stimmen so gut hinsichtlich Farbton, Glanz und Struktur überein, dass sie problemlos nebeneinander an einem Getriebewagen, einer Baumaschine o.ä. montiert werden können“, so Weiß.
Im DB-Werk Wittenberge zeigte sich dann auch eindrucksvoll, dass das Systemlack-Konzept der Schwarzwälder Lackexperten voll und ganz aufgeht:
Die Lüftungsgitter passen sich ohne optische Unterschiede harmonisch in den roten Bahnkörper ein. Alle Bauteile sehen aus wie aus einem Guss.
Seit dem 16. Januar 2017 ist der GTW wieder auf der Schiene unterwegs. Bis zur nächsten Inspektion in sechs Jahren wird der GTW täglich im kleinen Grenzverkehr zwischen Polen und Deutschland eingesetzt. Bei den vielen Pendlern und Touristen wird er dank seiner neuen Oberflächenqualität sicherlich einen glänzenden Eindruck hinterlassen.