Gemeinsam mit der Forschungsgruppe Schraubenverbindungen der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Offenburg betreibt FreiLacke seit etwa zwei Jahren anwendungsorientierte Forschung und entwickelt ausgewählte Systemlacke hinsichtlich deren Eigenschaften als „Maschinenelemente“ weiter.
Das seitens des BMWi im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) geförderte kooperative Forschungsprojekt fokussiert auf die Fragestellung, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen Lackschichten in der Kopf- bzw. der Mutter-Auflagefläche sowie in den Trennfugen verbleiben dürfen. Um zukünftig für Schraubenverbindungen mit lackierten Bauteilen bereits im Vorfeld der Applikation, den rechnerischen Nachweis der Betriebssicherheit erbringen zu können, wird der Vorspannkraftverlust in Abhängigkeit von verschiedenen Nasslack- oder Pulverlacksystemen, verschiedenen Montagevorspannkraftniveaus sowie verschiedenen Temperaturen analysiert. Darüber hinaus sind die Reibungsbedingungen die in den o.g. Kontaktflächen vorherrschen, maßgebend für die Höhe der erzielbaren Montagevorspannkraft und darüber ob die Schraubmontage wiederholgenau, prozesssicher vollzogen werden kann. Daher werden im Projekt die Reibungszahlen nach DIN EN ISO 16047 für die unterschiedlichen Systeme ermittelt. Die Reibungsverhältnisse in den Trennfugen zwischen den verspannten Bauteilen, sind entscheidend für einen dauerfesten, sicheren Betrieb.
Der aktuelle Stand von Normen und Richtlinien im allgemeinen Maschinenbau, regelt den Umgang mit organischen Korrosionsschutzlackschichten im Kraftfluss von Schraubenverbindungen nicht. Insbesondere die international anerkannte Richtlinie VDI 2230 zur „Systematischen Berechnung hoch beanspruchter Schraubenverbindungen“ klammert organische Korrosionsschutzlackschichten aus. Im Stahlbau hingegen wird der diskutierte Sachverhalt im Rahmen der internationalen Norm DIN EN ISO 12944 bzgl. „Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme“, bereits in der Fassung von 1998, aufgegriffen. Die Norm gibt vor, dass „ein Beschichtungsstoff mit einem geeigneten Reibbeiwert auf die Reibflächen aufgetragen werden darf“. Allerdings sind „Beschichtungssysteme zu verwenden, die nicht zu einer unzulässigen Abnahme der Vorspannung führen“ dürfen. Hinweise über geeignete Reibbeiwerte oder eine zulässige Abnahme der Vorspannung werden nicht gegeben. Darüber hinaus sind „Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben so gegen Korrosion zu schützen, dass die Schutzdauer der des Korrosionsschutzes für das gesamte Bauwerk entspricht.“
In der DIN EN 1090-2 zur „Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken“ werden zu mechanischen Verbindungen zahlreiche Informationen gegeben. Neben einer Anleitung zur Bestimmung der Haftreibungszahl, werden auch prozentuale Angaben zum sog. „potentiellen Vorspannkraftverlust von Beschichtungen / Beschichtungssystemen in Kombination mit vorgespannten Kontaktoberflächen“ gemacht. Diese Angaben beziehen sich allerdings auf einen stahlbauspezifischen Prüfaufbau, mit Versuchen bei Raumtemperatur und Prüflingen, die rein drehmomentgesteuert angezogen wurden. Daher sind diese Angaben auf die Vielzahl der Anwendungen und Konstruktionen im Maschinen-, Anlagen und Fahrzeugbau nicht unmittelbar übertragbar.
Fazit: Im Maschinen- und Fahrzeugbau gibt es derzeit keine Richtlinien oder Normen die den Umgang mit Lackschichten im Kraftfluss von Schraubenverbindungen regeln.
Dieser Umstand führt, siehe Bild A, zur Verunsicherung im Umgang mit dieser Thematik. Angesichts fehlender Vorgaben werden in der Praxis bei Schraubenverbindungen bspw. die Kopfauflageflächen während der Lackierung aufwendig und kostenintensiv maskiert, damit kein Lack zurückbleibt der wiederum zu kritischen Vorspannkraftverlusten führen könnte. Dies führt allerdings dazu, dass eine neu lackierte Maschine bereits wenige Stunden nach der Beschichtung mit einer höchst leistungsfähigen Lackierung schon erste Spuren von Korrosion zeigt. Handelt es sich nun sogar um eine Verbindung mit hochfesten Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9 oder höher, riskiert man durch eine etwaige Korrosion im Betrieb die sog. Wasserstoffversprödung der Schrauben und somit das schlagartige Versagen der Verbindung im Betrieb, mit potentiell extrem kritischen Folgen für Leib und Leben.
Um diese Problematik zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten, fand sich neben FreiLacke und der Hochschule Offenburg ein Konsortium aus Unternehmen zusammen. Neben der LIEBHERR WERK EHINGEN GMBH, einem namhaften Hersteller mobiler Baumaschinen, waren dies HYTORC® und SMARTTORC®, den Herstellern von intelligenten Schraubmontagesystemen und Werkzeugen für hohe Drehmomentbereiche.
Zu den Systemlacken – Reibwert, Setzverhalten und Vorspannkraftverlust
Eine evaluierte Prüfmethodik zur Messung von Vorspannkraftverlusten, Eindringtiefen und Reibwerten lackierter Bauteile konnte erarbeitet werden.
Einzelne getestete Lacksysteme zeigen eine sehr hohe mechanische Belastbarkeit. Die Lackschichten bleiben auch nach Anzug in die Streckgrenze unzerstört und behalten Ihre Korrosionsschutzfunktion.
Die verwendeten Lacksysteme unterscheiden sich teilweise erheblich in ihrer Neigung zum Abrieb und dem Reibwert. Diese Eigenschaften können durch die Rezeptur beeinflusst werden. Die Reibwerte liegen eher in der Reibzahlklasse A statt B nach VDI 2230-1.
Pulverlacke erwiesen sich im Projekt zunächst deutlich widerstandsfähiger als Nasslacke und wiesen eine höhere Verschleißfestigkeit sowie einen geringen Vorspannkraftverlust auf. Allerdings sind Nasslacke unter bestimmten Bedingungen zu gleichwertigen Ergebnissen in der Lage.
Höhere Schichtstärken und höhere Betriebstemperaturen führen zu höheren Vorspannkraftverlusten. Grundsätzlich kann man unterhalb kritischer Temperaturen bei einer quasi-statischen Anwendung davon ausgehen, dass die Vorspannkraftverluste auch dann gering sind, wenn sowohl Kopf- als auch Mutternauflage Lackschichten aufweisen. Insgesamt lagen die Vorspannkraftverluste bei den bisherigen Untersuchungen unter zehn Prozent, erreichten also nahezu das Verhalten bei lackfreien Verbindungen.
Der Korrosionsschutz ist unter der Voraussetzung, dass der Lack unter sauberen Bedingungen aufgetragen wurde, auch nach der Verschraubung gegeben. Dies ergab die einfache Sichtprüfung. Allerdings werden die weiteren Tests auch den Nachweis der in Form des Salzsprühtests nach DIN EN ISO 9227 beinhalten. Weitergehende zyklische Tests, wie sie bzgl. Offshore-Anwendungen gängige Praxis sind, sollten bezogen auf die einzelnen Anwendungsfälle unternommen werden.
Das Schraubmontagesystem von HYTORC® und SMARTTORC® ist als einziges derzeit bekanntes Hydraulikaggregat in der Lage, auch mit den analysierten Lackschichten im Kraftfluss wiederholgenau streckgrenzgesteuert anzuziehen.
Das streckgrenzgesteuerte Anzugsverfahren ist in der Lage, beliebige Schraubverbindungen bzgl. ihres möglichen Potenzials zu analysieren. So können Material, Oberflächen- und Prozessprobleme frühzeitig erkannt werden.
Die Reibung in der Schraubverbindung, ggfs. verursacht durch Systemlacke, hat keinen Einfluss auf das Prozessergebnis der Vorspannkraft. Die Schraubverbindung kann maximal ausgenutzt werden.
Weiterführende Informationen zu den Ergebnissen des kooperativen Forschungsprojektes erhalten Sie gerne über die Hochschule Offenburg, Herrn Dietmar Isele (dietmar.isele@hs-offenburg.de) oder über die Emil Frei GmbH & Co KG, Herrn Harald Baeck (h.baeck@freilacke.de).